Nonnen, Kanonissen, Beginen und Mystikerinnen. Frauengemeinschaften in Süddeutschland

Nonnen, Kanonissen, Beginen und Mystikerinnen. Frauengemeinschaften in Süddeutschland

Organisatoren
Eva Schlotheuber (Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München), Helmut Flachenecker (Lehrstuhl für Fränkische Landesgeschichte, Universität Würzburg)
Ort
Frauenchiemsee
Land
Deutschland
Vom - Bis
21.09.2005 - 23.09.2005
Url der Konferenzwebsite
Von
Helmut Flachenecker; Ingrid Gardill; Eva Schlotheuber

Das Benediktinerinnenkloster Frauenchiemsee bot den gelungenen Rahmen für eine Tagung, die sich den süddeutschen Frauengemeinschaften widmete. Im Gegensatz zur historischen Forschung von Frauengemeinschaften in Norddeutschland und den Rheinlanden steht jene für den süddeutschen Raum noch ganz am Anfang. Von daher sollte die Tagung vor allem Basis und Anregung für künftige Forschungen bieten (Eva Schlotheuber, München). Die Fokussierung auf die süddeutsche Region ermöglichte zudem, die strukturbildende Funktion der Gründungen und die gesellschaftliche Rolle der Gemeinschaften vom Früh- bis in das Spätmittelalter zu verfolgen. Ein interdisziplinärer Ansatz war von vornherein intendiert, um die Forschungsergebnisse der benachbarten Disziplinen gegenseitig fruchtbar zu machen und den unterschiedlichen methodischen Zugriff zu diskutieren.

Der erste Tag war den Gründungszusammenhängen und Stifterprofilen gewidmet, die zugleich die gesellschaftliche Bedeutung und die Rolle der Frauenklöster im regionalen Machtgefüge verdeutlichen. Mit Hilfe eines komparatistischen Ansatzes eröffnete Hedwig Röckelein (Göttingen) die Tagung mit einem Blick auf die bayerische Klosterlandschaft des Frühmittelalters im Vergleich zu derjenigen Sachsens. Hier kristallisierte sie das charakteristische Profil des sächsischen Raums gegenüber dem bayerischen heraus, während sich die mainfränkischen Frauenkonvente – sämtlich von den Karolingern zur Sicherung strategisch bedeutsamer Plätze gegründet – bis auf Kitzingen, als nicht überlebensfähig erwiesen. Irene Crusius (Göttingen) setzte bei ihrer Betrachtung von Königinnen, Königswitwen und Prinzessinnen als Stifterinnen bei der Sakraltopographie von Bischofssitzen an. Die bayerischen Bischofssitze folgten diesem Muster, lediglich in Bamberg kam es nicht dazu. Eine herausragende Position nimmt Regensburg mit seinen drei Damenstiften Ober-, Mittel- und Niedermünster ein. Damenstifte besaßen nicht zuletzt durch ihre soziale Mittelpunktfunktion von Adelsgemeinschaften eine für die Königsherrschaft legitimierende und stabilisierende Funktion. Die königlichen Ehefrauen und Töchter waren zudem politisch aktive Friedensstifterinnen und Fürsprecherinnen.

Gabriele Schlütter-Schindler (Frankfurt) nahm die von bayerischen Herzögen gegründeten Frauenklöster in den Blick, die von Nonnberg im frühen 8. Jahrhundert bis zu den Franziskanerinnen am Hl. Kreuzkirchlein in Landshut 1480 reichen. Die Forschungslage für alle diese Gründungen ist erstaunlich schlecht. Die herzoglichen Gründungen des Hochmittelalters kämpften – mit Ausnahme der Wittelsbacher-Grablege Seligenthal – mit den Folgen einer zu geringen Fundationsmasse. Bis zum ausgehenden Hochmittelalter gab es im Raum Franken kaum Frauenkonvente, ein Mangel, der im ausgehenden 12. und in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts mit einer ganzen Reihe von Zisterzienserinnen-Niederlassungen behoben wurde. Sie konnten, so Helmut Flachenecker (Würzburg), allerdings vielfach auf prämonstratensische Vorläufer aufbauen. Frauenklöster wurden als Bausteine für den Ausbau mittelalterlicher Landesherrschaft instrumentalisiert, sie wurden aber auch als Gedächtnisklöster gestiftet, wenn der Familienzweig keine männlichen Erben besaß. Den ersten Tag beschloss der Abendvortrag von Heinz Dopsch (Salzburg), der die Frauengemeinschaften im Erzbistum Salzburg vom frühen 8. bis zum 21. Jahrhundert vorstellte. Mit Nonnberg – auf einer Anhöhe über der Stadt und unmittelbar vor der herzoglichen Burg (heute Festung) gelegen – beherbergt Salzburg den ältesten Nonnenkonvent nördlich der Alpen und östlich des Rheins. Nonnberg kann auf ein bemerkenswertes Netz von Filiationen zurückblicken, die sich bislang nur aufgrund der Entsendung der Äbtissinnen mit ein bis zwei Begleiterinnen erkennen lässt. In der Salzburger Diözese konnten sich neben den Benediktinerinnen kaum Zisterzienserinnen etablieren (etwa in Friesach), daneben ist auf die Niederlassungen der Augustinerchorfrauen hinzuweisen (etwa ‚Domfrauen’ in Salzburg).

Der zweite Tag galt den wirtschaftlichen Grundlagen sowie den verschiedenen Lebensformen geistlicher Frauen. Der Vortrag von Gertrud Thoma (München) zeigte anhand der strategisch gut gelegenen Besitzungen Frauenchiemsees die Bedeutung der klösterlichen Grundherrschaft im regionalen Machtgefüge auf. Vergleicht man die wirtschaftliche Situation der alten Orden mit den Wirtschaftsformen der Zisterzienserinnen und der weiblichen Bettelordenskonvente, so zeigt sich, dass die Klausur mit der gemeinschaftlichen Verpflegung eine Angleichung an die traditionelle Wirtschaftsweise erzwang. Der Spielraum für die Umsetzung der religiösen Ideale der Zisterzienser oder Franziskaner war bei den klausurierten Frauengemeinschaften vermutlich dementsprechend gering. Fragen nach formalen Leitbildern im Bereich der Architektur von Klosterkirchen stellte Carola Jäggi (Erlangen) an Hand von Dominikanerinnen- und Klarissinnenkirchen in Nürnberg und Umgebung. Die Beziehungen zwischen der Ordensarchitektur und der jeweils gewählten Bauform der Frauenkonvente muss dabei neu diskutiert werden, denn der Einfluss der Stifterfamilie oder regionaler Traditionen spielte eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Die zweifache Wandlung des Dominikanerinnenklosters Pettendorf von einem Burg- zu einem Klostersitz hat Alois Schmid (München) untersucht. Die wiederholten Nutzungsänderungen ihres Besitzes hingen mit dem letztlich gescheiterten Versuch der Wittelsbacher zusammen, die alte bayerische Hauptstadt Regensburg wieder ihrer Herrschaft einzuverleiben. Die zweite Gründung des Klosters durch Herzog Ludwig II. in den frühen 1260er Jahren war damit gleichzeitig das Eingeständnis einer Niederlage. Im Bereich des Herzogtums Bayern hat es nur zwei Dominikanerinnenkonvente gegeben, nämlich Altenhohenau am Inn und Pettendorf nördlich von Regensburg. In Regensburg selbst kam noch Heiligkreuz – das bis heute existiert – und dessen Filiale in Schwarzhofen hinzu.

Neue religiöse Lebensformen in der Stadt, die zu einer noch auszulotenden Konkurrenz den alten Orden führten, waren die Beginen, Seelfrauen und Klausnerinnen. Barbara Baumeister (Augsburg) untersuchte diese Gemeinschaften in der Region Ostschwaben, wo sich eine erstaunliche Vielfalt weiblichen Semireligiosentums entwickelte, das seine Hauptaufgaben im Gebet für die Stifterin und in der Übernahme von sozial-karitativen Tätigkeiten sah. Nicht zu unterschätzen war auch ihre Aufgabe der Begleitung von Sterbenden sowie die Vorbereitung und Teilnahme am Begräbnis, was häufig zur Bezeichnung „Totenfrauen“ führte.

Zentral zum Themenbereich ‚weibliches Religiosentum’ gehört das Phänomen der Doppelklöster, das Rolf DeKegel (Engelberg) am Beispiel des langlebigen Engelberg vorstellte. Von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis 1615 lebten hier Männer- und Frauenkonvent zwar räumlich getrennt, jedoch in unmittelbarer Nähe zusammen. Die Meisterin besaß zwar kein eigenes Siegel und stand unter dem Abt, regierte aber die um ein Mehrfaches größere Frauengemeinschaft. Bei der Klausur geht DeKegel von einer pragmatischen und daher sehr flexiblen Handhabung aus (Verwandte hatten Zutritt, Armenspeisung im Klosterhof durch die Frauen, Wallfahrten in die Kirche der Frauen). Das Phänomen Doppelkloster unterzog im folgenden Susan Marti (Essen) einer Untersuchung aus kunsthistorischer Perspektive. Während es Darstellungen gibt, die ein Idealbild doppelklösterlichen Lebens zeigen (Guta und Sintram; Augustinus zwischen den Chorherren und Chorfrauen von Marbach und Schwarzenthann), gibt es auch solche, bei denen der Text zwar die Zusammenarbeit der Geschlechter bei der Erstellung eines Codex erwähnt, die Illustrationen aber nur männliche Protagonisten zeigen.

Ober- oder Niedermünster, welches Kanonissenstift ist bedeutender? Obermünster oder St. Emmeram, wer kann das Grab Hemmas, der Frau Ludwigs des Deutschen, für sich beanspruchen? Die 876 verstorbene Karolingerin wird wohl, der sich widersprechenden Propaganda zum Trotz, in St. Emmeram begraben worden sein – die von Franz Fuchs (Würzburg) vorgestellten Belege machen dies mehr als wahrscheinlich. Mit aufwändigen Totenfeiern wollte das Stift Obermünster ebenso wie St. Emmeram die Präsenz der illustren Königin in den eigenen Mauern unterstreichen. Diese Bemühungen zeigen die über Jahrhunderte bestehende Konkurrenz zwischen den beiden geistlichen Instituten.

Der letzte Tag der Tagung war dem literarischen und kulturellen Ausdruck der religiösen Frauengemeinschaften gewidmet. Bildungsstand und Bücherbesitz der Frauenkonvente der Bettelorden thematisierte Eva Schlotheuber (München). Die dominikanischen Ordensvorschriften schlossen eine systematische theologische Ausbildung für die Frauen aus. Dennoch wurden ihnen profunde Kenntnisse vermittelt und entgegen der in der Forschung weit verbreiteten Annahme gehörte die Beherrschung des Lateinischen bei den Dominikanerinnen und Klarissen auch Spätmittelalter nach wie vor zu den ordensinternen Anforderungen. Einen außergewöhnlichen ‚Werbetext’ stellten Falk Eisermann und Christoph Mackert (Leipzig) mit „Der wingarte Jesu“ vor. Von einem anonymen Priester mit enger Beziehung zu einem städtischen Nonnenkonvent in den 1450er Jahren im rheinfränkischen Gebiet geschrieben, wollte der Verfasser zu einer Maximierung von Gebetsleistungen anregen, indem der Text mit dezidierten Schreibanweisungen massenhaft insbesondere von den geistlich lebenden Frauen kopiert und verbreitet werden sollte.

Dem vielfältigen und nur schwer zu definierenden Phänomen ‚Frauenmystik’ näherte sich Werner Williams-Krapp (Augsburg). Der Gelehrtendiskurs über die Frömmigkeitsform besonders der religiösen Frauen lässt das beständige Ringen um Integration ebenso wie den Versuch einer Kontrolle erkennen. Bei den Gebetsverbrüderungen des 15. Jahrhunderts, also im Kontext mit der Klosterreform, waren auch Frauenklöster in das allgemeine monastische Netzwerk eingebunden. Dabei gingen diese Verbrüderungen, worauf Gabriela Signori (Münster) hinwies, über bestimmte Ordenszugehörigkeiten hinweg. Die Admonter Totenroteln (1494-1496) umschrieben mit ihren Einträgen einen weiten Raum zwischen Brandenburg und Einsiedeln, Wien und Metz. Abschließend erläuterte Natalie Kruppa (Germania Sacra, Göttingen) den Stand der Planung und Publikationen der Germania Sacra.

Die Tagung in Frauenchiemsee hat gezeigt, wie viele Quellen noch unerschlossen sind und wie wichtig ein Austausch der Disziplinen gerade für diese Thematik ist. Eine für die Zukunft ins Auge gefasste nähere Zusammenarbeit verspricht deshalb grundlegende neue Ergebnisse. Dabei werden die Landesgeschichte, die Literatur- und Kunstgeschichte sowie die archäologische Forschung sicher von einer künftig noch stärker gewünschten Einbindung der Kirchen- und Liturgiegeschichte profitieren. Die Publikation der Beiträge in der Reihe der „Germania Sacra“ ist für das kommende Jahr vorgesehen.


Redaktion
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